»Für die Kinder ist es am schlimmsten«

Veröffentlicht auf von Acher-Rench-Zeitung

Geringverdiener sind nicht arbeitslos, können von ihrem Job aber nicht leben / Eine Betroffene erzählt

 

Sylvia Koch (Name von der Redaktion geändert) hat einen Job, sie taucht in keiner Arbeitslosenstatistik auf. Trotzdem muss sie Hartz IV beziehen, weil ihr Verdienst nicht zum Leben reicht. Im Interview mit der Acher-Rench-Zeitung verrät die 35-jährige Achenerin, was ein Leben als »Aufstockerin« bedeutet

Frau Koch, wieso beziehen Sie staatliche Unterstützung, obwohl Sie einer sozialversicherungspflichtigen Arbeit nachgehen?
Sylvia Koch: Als allein erziehende Mutter arbeite ich im Einzelhandel 20 Stunden pro Woche und verdiene damit knapp 800 Euro netto. Das ist in meiner Branche so.
Wie hoch ist der Zuschuss, den Sie erhalten?
Koch: 325 Euro steuert die Kommunale Arbeitsförderung bei, von denen 145 Euro direkt an die Tagesmutter gehen, die zwei Tage pro Woche meinen siebenjährigen Sohn betreut. Ich würde gerne mehr arbeiten, aber die Kinderbetreuung würde den Mehrverdienst sofort wieder verschlingen.
Haben Sie Ihren Chef schon mal auf eine Gehaltserhöhung angesprochen?
Koch: In unserer Branche schlägt der Aufschwung momentan noch nicht voll durch. Die Alternative wäre, noch zusätzlich auf 400-Euro-Basis zu arbeiten, aber das schaffe ich zeitlich nicht. Schon jetzt habe ich ein schlechtes Gewissen, wenn ich arbeiten gehe und nicht bei meinem Sohn bin.
Wie sind Sie in diese Situation geraten?
Koch: Zwischen 2003 und 2007 war ich in Elternzeit. Ich musste mich besonders um meinen Sohn kümmern, da er unter einer Behinderung leidet. Danach hatte ich zwar ein Anrecht auf Wiedereinstellung, aber nicht auf Teilzeit – und genau das hätte ich gebraucht. Also habe ich zunächst auf 400-Euro-Basis gearbeitet und später, als ich eine Tagesmutter für meinen Sohn gefunden hatte, auf 20 Stunden pro Woche aufgestockt. Mehr geht zeitlich einfach nicht.
Inwiefern stellt Ihr geringes Einkommen ein Problem im Alltag dar?
Koch: Für die Kinder ist es natürlich am schlimmsten. Ich will nicht, dass mein Sohn auf den Sportverein verzichten muss, also spare ich bei mir selbst. Zum Beispiel habe ich keinen Computer, kaufe mir nur selten neue Kleidung und war seit acht Jahren nicht mehr im Urlaub. Ansonsten steuern die Oma und die Patentante schon mal was bei, wenn es in den Zoo oder ins Theater gehen soll.
Wie reagiert Ihr Umfeld, wenn Sie von Ihrer Situation erzählen?
Koch: Viele sind schockiert, wenn sie hören, dass ich Hartz IV beziehe. Das ist immer noch total stigmatisiert. Die denken, Hartz IV bekämen doch nur diejenigen, die ihre Ausbildung abgebrochen haben und nicht arbeiten wollen.

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Trauriger Blick ins Schaufenster: »Aufstocker« wie Sylvia Koch müssen trotz Arbeit auf vieles verzichten.

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Veröffentlicht in Achern

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